Key Facts
- Vertrauensarbeitszeit ist ein sehr flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem die Beschäftigten selbst über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit entscheiden. Der Arbeitgeber gibt nur einen zeitlichen Umfang vor.
- Diese Flexibilisierung ermöglicht es Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeiten an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Arbeitgeber geben dadurch ein Stück Kontrolle ab, profitieren dafür aber von einer höheren Motivation und Produktivität ihrer Mitarbeiter.
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit müssen trotz Vertrauensarbeitszeit genau dokumentiert werden.
Was ist Vertrauensarbeitszeit?
Inhalt
Vertrauensarbeitszeit zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten eigenverantwortlich plant. Er darf den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit selbst festlegen.
Vertraglich ist zwar eine bestimmte Arbeitszeit vereinbart, beispielsweise 40 Stunden pro Woche. Doch anstelle fester Arbeitszeiten gibt der Arbeitgeber lediglich einen Arbeitszeitrahmen pro Tag und Woche vor und vertraut darauf, dass die Beschäftigten diesen Rahmen einhalten.
Eine gesetzliche Grundlage gibt es für dieses sehr flexible Arbeitszeitmodell zwar nicht. Aber sowohl in einer Betriebsvereinbarung als auch im Arbeitsvertrag kann Vertrauensarbeitszeit vereinbart werden. Es genügt sogar ein mündlicher Hinweis des Arbeitgebers.
Allerdings muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass das Arbeitszeitgesetz trotz Vertrauensarbeitszeit eingehalten wird. Das bedeutet:
- Die tägliche Arbeitszeit von acht Stunden darf in der Regel nicht überschritten werden.
- Der Beschäftigte muss bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden feste Ruhepausen von mindestens 30 Minuten einlegen.
- Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit steht dem Arbeitnehmer ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu.
Arbeitszeiterfassung bei Vertrauensarbeitszeit: Urteil des EuGH
2019 sorgte der Europäische Gerichtshof mit seinem „Stechuhr-Urteil“ (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: C-55/18) für einige Furore.
Damals entschied der EuGH, dass die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zum Schutz der Arbeitnehmer erfasst und dokumentiert werden muss. Um dies sicherzustellen, seien alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, entsprechende Vorschriften einzuführen.
Der deutsche Gesetzgeber reagierte darauf jedoch nicht – wohl aber das Bundesarbeitsgericht, das in seinem Beschluss vom 13.9.2022 (Az. 1 ABR 22/21) Folgendes klarstellte: Zeiterfassung ist bereits Pflicht – auch bei Vertrauensarbeitszeit.
Der Arbeitgeber muss die tatsächlichen Arbeitszeiten seiner Beschäftigten jeweils mit Beginn, Dauer und Ende erfassen. Dabei sind die genauen Uhrzeiten zu dokumentieren. Diese Pflicht ergibt sich aus § 3 II Nr. 1 ArbSchG, während § 16 II ArbZG nur die Aufzeichnung von Überstunden fordert. Für diese Zeiterfassung müssen Arbeitgeber ein verlässliches, objektives und zugängliches System schaffen.
Was passiert mit Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit?
Vertrauensarbeitszeit birgt das Risiko, dass die Grenzen zwischen Beruf und Familie verschwimmen und die Beschäftigten zu viele Überstunden anhäufen, beispielsweise wenn sie den Arbeitsaufwand nicht vorhersehen können oder ihre eigene Gesundheit aus dem Blick verlieren.
Weil die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich planen, laufen sie außerdem Gefahr, dass ihre Überstunden unbezahlt bleiben. Das lässt sich wie folgt vermeiden:
- Überstunden werden im Arbeitszeiterfassungssystem genau dokumentiert. Die Pflicht zur Zeiterfassung erleichtert Arbeitnehmern, ihre Ansprüche auf Freizeitausgleich bzw. Vergütung für Überstunden durchzusetzen.
- Arbeitnehmer und Arbeitgeber können sich auf die Einführung eines Arbeitszeitkontos einigen. Damit können die Beschäftigten angesammelte Überstunden zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder ausgleichen.
Beispiel für eine Klausel zur Vertrauensarbeitszeit
Eine vertragliche Vereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit könnte in etwa wie folgt aussehen:
„Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt … Stunden. Es sind keine festen Arbeitszeiten vorgesehen. Der Arbeitnehmer achtet selbstständig auf die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG und der Ruhezeiten gemäß § 5 ArbZG. Überstunden dürfen nur auf Anordnung des Arbeitgebers oder mit seiner vorherigen Zustimmung geleistet werden. Der Arbeitnehmer dokumentiert eigenverantwortlich Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit sowie die Ruhepausen. Die Dokumentation der Arbeitszeit ist jeweils zum … dem/der … vorzulegen.“
Dieses Formulierungsbeispiel dient lediglich der Orientierung. Trotz sorgfältiger Prüfung erhebt es keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit.
Vertrauensarbeitszeit: Vorteile und Nachteile im Überblick
Das Arbeitszeitmodell der Vertrauensarbeitszeit eignet sich besonders in Branchen und Berufen, bei denen keine persönliche Präsenz vor Ort erforderlich ist. Das trifft beispielsweise auf Redaktionen, kreative Beruf und die Softwareentwicklung zu.
Die folgende Übersicht verdeutlicht, welche Vor- und Nachteile mit dieser Form der Arbeitszeitgestaltung verbunden sind:
Vorteile der Vertrauensarbeitszeit für Arbeitnehmer:
- freie Tagesplanung
- Selbstständigkeit und Eigenverantwortung
- Hohes Maß an Selbstbestimmtheit
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Bessere Work-Life-Balance
Nachteile der Vertrauensarbeitszeit für Arbeitnehmer:
- Zeitkontrolle schwierig
- Ständige Erreichbarkeit
- Gefahr der Überlastung
- Risiko unbezahlter Überstunden
(ohne Freizeitausgleich) - Vermischung von Familie und Beruf
Vorteile der Vertrauensarbeitszeit für Arbeitgeber:
- Hohe Motivation der Beschäftigten
- Höhere Produktivität der Mitarbeiter
- Stärkere Mitarbeiterbindung
- Weniger Fehlzeiten
- Pluspunkt bei Mitarbeitergewinnung
Nachteile der Vertrauensarbeitszeit für Arbeitgeber:
- Kaum Kontrollmöglichkeiten
- Hoher Koordinationsaufwand
- Geringe Planbarkeit
- Gefahr des Missbrauchs (Arbeitszeitbetrug)
FAQ: Vertrauensarbeitszeit
Vertrauensarbeitszeit bedeutet laut Definition, dass der Arbeitgeber lediglich einen zeitlichen Rahmen vorgibt. Über Beginn und Ende der Arbeitszeit entscheidet der Arbeitnehmer. Hier lesen Sie mehr.
Nein. Trotz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts ist die Vertrauensarbeitszeit noch erlaubt, sofern der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nachkommt.
Ja, das ist möglich. Diese Überstunden müssen genauso aufgezeichnet werden wie die restliche Arbeitszeit. An dieser Stelle erfahren Sie mehr.
Dieses Arbeitszeitmodell kann für ein besseres Betriebsklima sorgen, weil die Zusammenarbeit auf Vertrauen beruht und nicht auf Kontrolle.
Kommentar hinterlassen