Key Facts
- Die Fürsorgepflicht für Arbeitgeber ist gesetzlich geregelt und lässt sich nicht außer Kraft setzen.
- Fürsorgepflichtige Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter stets gewährleistet sind.
- Arbeitnehmer können gegen Verletzungen der Fürsorgepflicht vonseiten des Arbeitgebers rechtlich vorgehen.
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber – gesetzliche Grundlage erklärt

Inhalt
Arbeitgeber sind Ihren Mitarbeitern gegenüber fürsorgepflichtig. Nach deutschem Arbeitsrecht ist das eine Nebenpflicht, die nicht aus dem mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag hervorgeht. Sie stellt einen Grundbestandteil des Beschäftigungsverhältnisses dar und darf gemäß § 619 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht durch etwaige Regelungen in Arbeitsverträgen außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden. Was bedeutet das aber genau?
Grundsätzlich ist unter der Fürsorgepflicht von einem Arbeitgeber laut Gesetz folgendes zu verstehen (§ 618 Abs. 1 des BGB):
Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Das heißt, Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass alle Arbeitsplätze sicher sind und keine Gefahr für leichte bis tödliche Verletzungen oder andere gesundheitsschädigende Beeinträchtigungen bergen. In diesem Abschnitt finden Sie einige Beispiele.
Neben § 618 und 619 ist aber auch § 241 des BGB relevant. Dieser schreibt in Abs. 2 eine sogenannte Rücksichtsnahmepflicht für Schuldverhältnisse vor. Bei einem Arbeitsverhältnis bezieht sich das auf die Schuld die Arbeitnehmer (d. h. zu leistende Arbeit) und Arbeitgeber (d. h. zu zahlendes Gehalt) gegenüber der jeweils anderen Partei haben. Ihr Vorgesetzter hat demnach Rücksicht darauf zu nehmen, dass nicht nur seine eigenen Rechte und Interessen gewahrt werden, sondern auch Ihre.
Wichtig: Allerdings regelt nicht nur das BGB die Fürsorgepflicht für Arbeitgeber. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreibt bspw. in § 5 Abs. 1 vor, dass Vorgesetzte eine Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen, um das Gefahrenpotenzial des Arbeitsumfelds genau einschätzen und, wenn notwendig, Anpassungen vornehmen zu können.
Unter anderem die folgenden Gesetzestexte geben weitere Pflichten vor:
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Schützt Arbeitnehmer vor Diskrimierung (bspw. aufgrund ihrer Herkunft, Sexualität, Religion etc.) und verpflichtet gleichzeitig den Arbeitgeber dazu, mit allen Mitarbeitern gleich umzugehen und niemanden zu bevor-/benachteiligen. Das sogenannte Beschäftigtenschutzgesetz (BSchG) war früher ein eigenständiger Gesetzestext, ist nun aber fest im AGG verankert.
- Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Regelt die maximal zulässigen Arbeitszeiten (d. h. tagsüber, nachts, Schichtdienste) sowie erforderliche Pausen- und Ruhezeiten, um eine Überlastung der Arbeitnehmer zu vermeiden.
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): Setzt für die Fürsorgepflicht vom Arbeitgeber voraus, dass Arbeitsplätze sicher und gesundheitsgerecht gestaltet werden (bspw. ausreichende Belüftung, Beleuchtung, Fluchtwege etc.).
- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Verlangt den vertraulichen Umgang mit den personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer (bspw. über eine sichere Datenspeicherung, etwaige Zugriffsbeschränkungen oder dass Daten lediglich zweckgebunden verarbeitet werden dürfen).
- Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG): Regelt den besonderen Schutz von minderjährigen Arbeitnehmern unter 18 Jahren (z. B. indem diese nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie keine gefährlichen Tätigkeiten ausüben müssen oder reduzierte Arbeitszeiten bekommen).
- Mutterschutzgesetz (MuSchG): Soll werdende und stillende Mütter vor Gefahren am Arbeitsplatz schützen (bspw. über etwaige Schutzmaßnahmen und Gefährdungsbeurteilungen). Im Rahmen der Fürsorgepflicht haben Arbeitgeber dabei nicht nur die Gesundheit bzw. das Wohl der Mutter zu berücksichtigen, sondern auch die/das des Kindes.
Was gehört zur Fürsorgepflicht vom Arbeitgeber? – Beispiele
Basierend auf den oben genannten Gesetzestexten, aus denen sich die Fürsorgepflicht von jedem Arbeitgeber ergibt, zählen diese Punkte in der Regel als die wichtigsten Grundlagen dieser Pflicht:
- Gesundheitsschutz
- Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers
- Schutz vor Diskrimierung und Belästigung
- Arbeitszeitgestaltung
- Unterstützung bei persönlichen Belastungen oder Beeinträchtigungen
Die folgende Tabelle veranschaulicht Ihnen diese einmal anhand einiger Beispiele und erklärt, ob und wie Führungskräfte in den jeweiligen Fällen handeln müssen:
Beispiel im Arbeitsalltag | Besteht eine gesetzliche Pflicht zur Fürsorge? |
---|---|
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, wenn eine psychische Erkrankung beim Arbeitnehmer vorliegt | ✅ Ja (psychische Belastungen sollen möglichst auf ein Minimum reduziert werden) Bei Erkrankungen wie Depression etc. bieten sich regelmäßige Mitarbeitergespräche an, um die Verfassung des Arbeitnehmers zu erfragen und, wenn möglich, mit entsprechenden Maßnahmen gegenzusteuern. ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 618 des BGB ⚖️ § 5 des ArbSchG (psychische Gefährdungsbeurteilung) ⚖️ § 167 Abs. 2 des SGB IX (für den Fall, das Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach längerer Arbeitsunfähigkeit notwendig wird) |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber bei Überstunden | ✅ Ja (Arbeitgeber müssen auf die Einhaltung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche achten) ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 3 des ArbSchG ⚖️ §§ 3 und 5 des ArbZG (Arbeits- und Ruhezeiten) |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber bei einer Bedrohung | ✅ Ja (wenn sich Arbeitnehmer bei ihrer Tätigkeit bedroht fühlen, liegt es am Arbeitgeber, die Bedrohung zu beseitigen) ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, wenn Mobbing/üble Nachrede die Mitarbeiter beeinträchtigen | ✅ Ja (etwaige Schutzmaßnahmen sind erforderlich, um Mobbing und anderen Konfliktpotenzialen vorzubeugen) ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 75 des BetrVG (Benachteiligungsverbot) ⚖️ § 12 ff. des AGG |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, wenn eine chronische Erkrankung beim Arbeitnehmer vorliegt | ✅ Ja (chronisch erkrankte Mitarbeiter müssen vor Benachteiligungen geschützt werden) Als mögliche Maßnahmen sollte der Arbeitgeber nicht nur in Betracht ziehen, die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, Arbeitspensum etc.) den Bedürfnissen des Arbeitnehmers anzupassen, sondern auch seine Wiedereingliederung zu unterstützen (falls eine längere Arbeitsunfähigkeit bestand). ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 167 Abs. 2 des SGB IX (BEM) |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, wenn ein ärztliches Attest etwaige Anweisungen gibt | ✅ Ja (alle Tätigkeiten, die ein ärztliches Attest untersagt, darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht zuteilen) ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber bei Schimmel am Arbeitsplatz | ✅ Ja (Arbeitgeber müssen Schimmelbefall verhindern und im Ernstfall die Schimmelursache beseitigen lassen) Da betroffene Räume vor der Schimmelbeseitigung gemieden werden sollen, liegt es beim Arbeitgeber, zur Überbrückung alternative Räumlichkeiten bereitzustellen. ⚖️ § 618 des BGB ⚖️ §§ 3 und 5 des ArbSchG (Gefährdungsbeurteilung) ⚖️ §§ 4 und 6 der ArbStättV |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber bei Alkohol am Arbeitsplatz | ✅ Ja (entweder muss der Arbeitgeber den Alkoholkonsum auf der Arbeit unterbinden oder dafür sorgen, dass betrunkene Arbeitnehmer keinen Gefährdungen ausgesetzt sind und sicher nach Hause kommen) ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 15 des ArbSchG (Arbeitnehmer müssen für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit Sorge tragen) |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, um einen Parkplatz zur Verfügung zu stellen | ❌ Nein (Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, für Parkplätze für ihre Mitarbeiter zu sorgen) Eine Ausnahme besteht nur, sollte der Arbeitsplatz nicht ohne ein Auto erreichbar sein. |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber bei Unwetter, Sturm etc. | ✅ Ja (Arbeitnehmer sind begründet arbeitsverhindert, falls eine offizielle Unwetterwarnung vorliegt und Verletzungsgefahr auf dem Weg zur Arbeit, z. B. durch umstürzende Bäume, besteht) ⚖️ § 618 des BGB ⚖️ § 3 des ArbSchG |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, um sauberes Trinkwasser zu garantieren | ✅ Ja (besonders bei Hitze oder körperlich anspruchsvoller Arbeit müssen Arbeitgeber entweder ausreichend Trinkwasser zur Verfügung stellen oder den Zugang zu diesem ermöglichen) ⚖️ § 3 des ArbSchG ⚖️ Anhang 4.1 der ArbStättV |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, wenn ältere Mitarbeiter betroffen sind | ✅ Ja (um die Sicherheit und Gesundheit älterer Mitarbeiter zu gewährleisten, sind Arbeitgeber ihnen gegenüber besonderer Fürsorge verpflichtet) Der Arbeitsalltag von älteren Arbeitnehmern lässt sich bspw. erleichtern, indem Arbeitgeber altersgerechte Arbeitsplätze einrichten oder Altersteilzeit gewähren. ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 618 des BGB ⚖️ § 3 des ArbSchG |
Fürsorgepflicht für Arbeitgeber, wenn schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind | ✅ Ja (der Arbeitgeber muss Chancengleichheit garantieren und das Arbeitsumfeld den besonderen Bedürfnissen der schwerbehinderten Arbeitnehmer anpassen) Mögliche Maßnahmen können barrierefreie Ein-/Ausgänge oder die Bereitstellung etwaiger Hilfsmittel sein (sofern notwendig). ⚖️ §§ 164 bis 167 des SGB IX ⚖️ § 241 Abs. 2 des BGB ⚖️ § 618 des BGB |
Verletzung der Fürsorgepflicht: Zahlen Arbeitgeber Schadensersatz?
Der Arbeitgeber verletzt seine Fürsorgepflicht (bspw. bei Krankheit des Arbeitnehmers) – was können Sie als Beschäftigter aber dagegen tun? Und wie muss eine solche Verletzung der Fürsorgepflicht durch Ihren Arbeitgeber aussehen, damit Schadensersatz als mögliche Kompensation für Sie im Raum steht?
Grundsätzlich verstoßen Führungskräfte immer dann gegen Ihre Fürsorgepflichten, wenn sie diesen – willentlich oder unwissentlich – nicht nachkommen. Das betrifft bspw. die folgenden Fälle:
- Ihr Arbeitgeber missachtet die Arbeitsschutzvorschriften oder verzichtet auf die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und verursacht dadurch gesundheitliche Schäden bzw. Unfälle. Gleiches gilt für die Missachtung gesetzlicher Arbeitszeitregelungen.
- Ihr Arbeitgeber duldet Mobbing, üble Nachrede oder anderes diskriminierendes Verhalten am Arbeitsplatz und sorgt damit bei seinen Mitarbeitern für psychische Beeinträchtigungen.
- Ihr Arbeitgeber speichert/verwendet Ihre persönlichen Daten nicht datenschutzkonform und provoziert dadurch einen Missbrauch dieser durch unbefugte Dritte.
Wichtig: Welche Möglichkeiten haben Sie als Arbeitnehmer, wenn die Fürsorgepflicht von Ihrem Arbeitgeber verletzt wird? Zunächst sollten Sie in der Regel das Gespräch mit diesem suchen und auf die jeweiligen Missstände hinweisen. Gibt es einen Betriebsrat oder Personalrat in Ihrem Unternehmen, kann dieser dabei eine vermittelnde Rolle einnehmen.
Schwerwiegende Verstöße können Sie hingegen auch der zuständigen Aufsichtsbehörde melden (bspw. der Gewerbeaufsicht oder der Berufsgenossenschaft) und Ihre Arbeit verweigern, bis Ihre Führungskraft aktiv geworden ist und die Gefährdungsquelle beseitigt hat. Lässt sich die Situation nicht außergerichtlich klären, können Sie mitunter auch eine Klage vor Gericht in Betracht ziehen. Prinzipiell stehen Ihnen im Falle einer nachgewiesenen Führungspflichtverletzung potenzielle Schadensersatz- oder Schmerzensgeldzahlungen zu. Bei einer Kündigung durch Ihren Arbeitgeber kommt womöglich auch eine Abfindung für Sie in Frage.
FAQ: Fürsorgepflicht für Arbeitgeber
Ja, gemäß seinen Rechten und Pflichten muss jeder Arbeitgeber einer gesetzlichen Fürsorgepflicht nachkommen. Diese ergibt sich bspw. aus § 618 Abs. 1 des BGB. Andere Gesetzestexte spielen aber ebenfalls eine Rolle. Hier erfahren Sie mehr dazu.
Neben psychischen und physischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen des Arbeitnehmers sind auch die Umstände am Arbeitsplatz vor Ort von Bedeutung. Demnach schließt die Fürsorgepflicht für Arbeitgeber Depression, Überlastung oder eine Schwerbehinderung bspw. genauso ein wie Alkohol am Arbeitsplatz. Mehr dazu hier.
Ein Arbeitgeber kommt der Fürsorgepflicht nicht nach, wenn er seine Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer willentlich missachtet (z. B. indem er Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz duldet).
Ja, Sie haben grundsätzlich die Möglichkeit, eine Klage gegen Ihren Arbeitgeber beim Arbeitsgericht einzureichen – allerdings nur, sofern auch ein triftiger Grund dafür vorliegt. In diesem Abschnitt können Sie mehr darüber erfahren.
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