Key Facts
- Über einen Gleichstellungsantrag können sich alle mit einem GdB in Höhe von 30 bzw. 40 mit Schwerbehinderten gleichstellen lassen.
- Neben persönlichen Daten darf z. B. auch eine Begründung für Ihren Antrag bei der Antragstellung nicht fehlen.
- Gleichgestellte genießen nach einem erfolgreichen Gleichstellungsantrag einige, aber nicht alle, Nachteilsausgleiche wie Schwerbehinderte.
Hintergrund zum Gleichstellungsantrag – Was ist das genau?

Inhalt
Der Grad der Behinderung (GdB) eines Menschen ist von einer Skala von 20 bis 100 abhängig und in Zehnerschritte unterteilt. Je nach prozentualem Anteil sind Behinderungen auf körperlicher oder geistiger Ebene also unterschiedlich stark ausgeprägt. Als Ergänzung stehen immer Merkzeichen dahinter, um auf eine konkrete Behinderungsqualität hinzuweisen (bspw. „aG“ für eine außergewöhnliche Gehbehinderung oder „Gl“ für eine Gehörlosigkeit).
Ab einem Grad von 50 oder mehr, lassen sich Menschen als schwerbehindert einstufen – alle unter der 50 %-Marke als behindert. Unterschiede im Behinderungsgrad wirken sich folglich nicht nur auf die Kategorisierung an sich aus, sondern auch auf die jeweiligen Bedürfnisse der Personen und welche Nachteilsausgleiche ihnen in einem Arbeitsverhältnis zustehen. Schwerbehinderte haben hier einen Anspruch auf mehr Begünstigungen als Behinderte.
Wichtig: Ein Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen bietet die Option, dass auch Menschen mit weniger ausgeprägten Behinderungen ein Anrecht auf die gleichen Nachteilsausgleiche bekommen können. Das ist möglich, wenn Arbeitnehmer mit einem GdB von 30 oder 40 ihre Behinderung über einen Gleichstellungsantrag mit einer Schwerbehinderung gleichsetzen lassen.
Es muss allerdings einer dieser beiden Gründe für die Antragstellung selbst vorliegen:
- 1.) Sie möchten einen Arbeitsplatz behalten (d. h. Ihre Behinderung ist die primäre Ursache dafür, dass Sie Ihren Job verlieren könnten).
- 2.) Sie möchten einen Arbeitsplatz erlangen (d. h. Ihre Behinderung beeinträchtigt Ihre Wettbewerbsfähigkeit bei der Jobsuche).
Wann lohnt sich ein Gleichstellungsantrag? – Vorteile & Nachteile im Überblick
Wurde Ihrem Antrag stattgegeben, gelten Sie grundsätzlich trotzdem nicht selbst als schwerbehindert, sondern gleichgestellt – das macht rechtlich gesehen einen großen Unterschied. Ein bewilligte Gleichstellung gibt ihnen also nur einige der gleichen Rechte, ändert aber nichts an ihrer eigentlichen Kategorisierung auf der GdB-Skala. Folgende Vorteile kann ein Gleichstellungsantrag damit unter anderem für Sie bedeuten:
Vorteile für Gleichgestellte und Schwerbehinderte
- Sonderkündigungsschutz: Nach §§ 168 ff. des neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX) kommt sowohl schwerbehinderten als auch ihnen gleichgestellten Menschen nach dem Gleichstellungsantrag ein besonderer Kündigungsschutz zugute. Ordentliche und außerordentliche Kündigungen erfordern somit immer die Zustimmung des Integrationsamtes – es sei denn, Fehlverhalten Ihrerseits wie verbale Schikane, Diebstahl etc. bietet einen triftigen Kündigungsgrund.
- Anrecht auf Unterstützungsleistungen: Diese umfassen z. B. berufsvorbereitende und weiterbildende Maßnahmen wie eine Grundausbildung oder Jobcoachings, um den Einstieg in ein Arbeitsverhältnis zu erleichtern.
- Finanzielle Unterstützung zur Arbeitsplatzausstattung: Arbeitgeber können finanzielle Mittel erhalten, um den Arbeitsplatz besser an Ihre Bedürfnisse anzupassen (bspw. über einen barrierefreien Zugang zum Büro oder behinderungsgerechtere Arbeitsmittel).
- Höhere Einstiegschancen über Lohnkostenzuschüsse: Damit es einen höheren Anreiz für Arbeitgeber gibt, Menschen mit Schwerbehinderung und Gleichgestellte zu beschäftigen, bekommen sie im Gegenzug für eine Einstellung in der Regel einen vorübergehenden Zuschuss zu ihrem Arbeitsentgelt.
Direkte Nachteile haben Sie durch einen Antrag auf Gleichstellung hingegen nicht. Ihnen fehlt lediglich der Anspruch auf einige Zusatzrechte, welche nur Schwerbehinderten mit einem GdB von 50 oder höher zustehen. Grund dafür ist, dass Sie dieser Personengruppe nach einem entsprechenden Antrag zwar gleichgestellt sind, aber nicht wie sie einen Schwerbehindertenausweis vom Versorgungsamt erhalten.
Durch diesen profitieren Schwerbehinderte auch von folgenden Regelungen:
Vorteile, die Gleichgestellte nicht haben
- Kein zusätzliches Kontingent an Urlaubstagen: Schwerbehinderte Arbeitnehmer bekommen 5 Tage mehr bezahlten Urlaub als Gleichgestellte und Arbeitnehmer ohne Behinderung. Je nach Länge ihrer regulären Arbeitswoche kann sich die Tagesanzahl aber reduzieren (bei einer 4-Tage-Woche stehen ihnen z. B. nur 4 zusätzliche Tage zu).
- Kein geringeres Renteneinstiegsalter: Für alle Schwerbehinderten, die vor dem 1. Januar 1952 geboren wurden, gibt es bereits eine abschlagsfreie Altersrente ab 63 Jahren – nehmen sie eine Reduzierung der monatlichen Rente von maximal 10,8 % in Kauf, ist der Ruhestand schon ab 60 Jahren möglich. Danach steigen die Altersgrenzen auf 65 und 62 Jahre an.
- Keine kostenlose Nutzung des ÖPNV: Im Gegensatz zu Gleichgestellten können sich Menschen mit einer Schwerbehinderung kostenlos von Bus und Bahn befördern lassen (solange sie das Merkzeichen „Bl“ für Blindheit oder „H“ für Hilflosigkeit in ihrem Schwerbehindertenausweis stehen haben).
Wichtig: Eine Gleichstellung tritt rückwirkend bereits von dem Zeitpunkt an in Kraft, zu dem Sie Ihren Gleichstellungsantrag ursprünglich eingereicht haben. Das kann Sie also im schlimmsten Fall vor einer bevorstehenden Kündigung bewahren (besonders wenn Ihre Behinderung der primäre Kündigungsgrund für den Arbeitgeber ist). Allerdings haben Gleichgestellte ebenso wie Schwerbehinderte nur besonderen Kündigungsschutz, wenn ihre Betriebszugehörigkeit länger als 6 Monate ist und sie ihre Probezeit bestanden haben. Davor sind Kündigungen durch Ihren Arbeitgeber trotzdem möglich.
Zuständigkeit & Bearbeitungsdauer – Wo ist eine Gleichstellung zu beantragen?
Wenn Sie vorhaben, einen Antrag auf Gleichstellung einzureichen, wo stellen Sie diesen dann – beim Versorgungsamt oder bei der Bundesagentur für Arbeit? Beide Institutionen sind zwar in unterschiedlichen Fällen für Behinderte zuständig, sorgen deshalb aber auch für potenzielle Missverständnisse bei Antragstellern.
Grundsätzlich gilt: Nicht das Versorgungsamt bearbeitet den Gleichstellungsantrag, sondern die Agentur für Arbeit. An das Amt können Sie sich bspw. wenden, wenn Sie Ihren Behinderungsgrad inklusive Merkzeichen bestimmen lassen wollen. Das ist laut eines Urteils (2 AZR 434/13) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 31. Juli 2014 auch parallel zur Beantragung der Gleichstellung möglich. Es setzt aber voraus, dass zuerst die Bestätigung Ihres GdB beim Arbeitsamt eingeht, bevor dieses Ihren Antrag bearbeitet.
Wichtig: Gehen Sie vor dem Gleichstellungsantrag zum Versorgungsamt, wie lange dauert dann die Bearbeitung Ihres Antrags zur GdB-Bestimmung? Prinzipiell dauert es immer 5 bis 7 Wochen. Die Bundesagentur für Arbeit prüft Ihren Gleichstellungsantrag in der Regel innerhalb von 1 bis 4 Monaten. Ein Grund für die längere Bearbeitungszeit ist, dass nicht nur die BA selbst alles bearbeiten, sondern auch mit dem Arbeitgeber, dem Personal-/Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung (falls vorhanden) sprechen muss. Erst danach erhalten Sie entweder eine positive oder negative Rückmeldung.
Einen Gleichstellungsantrag richtig ausfüllen – Was gehört in den Antrag?
Ihre Gleichstellung lässt sich grundsätzlich auf mehreren Wegen bei der Agentur für Arbeit beantragen. Sie können bspw. den Upload-Service nutzen, der auf ihrer offiziellen Webseite bereitgestellt wird. Laden Sie dazu einfach alle nötigen Nachweise hoch. Für den Gleichstellungsantrag wird ein Formular zum Download auf arbeitsagentur.de angeboten. Sie dürfen den formlosen Antrag aber auch schriftlich, telefonisch oder persönlich stellen.
Folgende Informationen müssen in jedem Fall enthalten sein:
- Angaben zu Ihren persönlichen Daten (Name, Adresse, Geburtsdatum etc.) und falls Sie kein deutscher Staatsbürger sind, ein zusätzlicher Nachweis dafür, dass Sie sich regelmäßig in Deutschland aufhalten bzw. hier einen rechtmäßigen Arbeitsplatz haben (bspw. einen Aufenthaltstitel mit Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit)
- Angaben zu Ihrer beruflichen Situation, Ihrem derzeitigen Arbeitgeber und den Arbeitsbedingungen vor Ort bzw. Angaben zu potenziellen Jobs, die Sie in Aussicht haben, wenn Sie arbeitslos sind
- einen Nachweis über den Grad der Behinderung (GdB) zwischen 30 und 50
- eine Begründung für Ihren Gleichstellungsantrag (warum Ihre Behinderung bspw. Ihren Arbeitsplatz gefährdet oder warum Sie aufgrund dieser keine Arbeit finden können)
- eine unterschriebene Einwilligungserklärung für Ihr Einverständnis, dass die Agentur für Arbeit Ihren Arbeitgeber, Betriebsrat oder Ihre Schwerbehindertenvertretung kontaktieren und zu Ihnen befragen darf
- mitunter etwaige ärztliche Atteste oder Berichte, die Ihre körperliche oder geistige Behinderung und deren Auswirkungen am Arbeitsplatz belegen
Wichtig: Hat Ihr jetziger Arbeitgeber bereits eine Kündigung gegen Sie ausgesprochen, müssen Sie in Ihrem Gleichstellungsantrag nicht nur die Kündigungsform angeben (Abmahnung etc.), sondern auch die Gründe, mit denen der Arbeitgeber diese begründet. Es macht hierbei nämlich einen Unterschied, ob die Kündigung aus behinderungsbedingten Gründen erfolgt bzw. stattdessen aus verhaltens- oder betriebsbedingten. Sie haben allerdings nicht die Pflicht, wenn Sie Ihren Gleichstellungsantrag stellen, den Arbeitgeber darüber zu informieren.
Lässt sich gegen einen abgelehnten Gleichstellungsantrag vorgehen?
Ja, wurde Ihr Gleichstellungsantrag abgelehnt, können Sie Widerspruch einlegen. Das müssen Sie in formloser, schriftlicher Form tun und haben bis zu 1 Monat nach Erhalt des Ablehnungsbescheids dafür Zeit. In Ihrem Widerspruchsschreiben sollten Sie folgende Punkte ansprechen:
- Warum empfinden Sie die Ablehnung Ihres Antrags als ungerechtfertigt?
- Welche konkreten Gründe sprechen Ihrer Meinung nach dafür, dass Sie gleichgestellt werden sollten?
Ein Widerspruchsausschuss hört sich dann in der Regel beide Seiten – den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer, der die Gleichstellung beantragen möchte – an. Anschließend fällt er eine Entscheidung darüber, ob Ihr Widerspruch begründet ist oder nicht. Konsultieren Sie im Zweifelsfall einen Anwalt und lassen sich beraten, welche Vorgehensweise in Ihrem Fall die größten Erfolgsaussichten bietet. Gleiches gilt, wenn Sie nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren eine Klage vor dem Sozialgericht beabsichtigen.
Wichtig: Wenn Sie Ihre Meinung nachträglich ändern (bspw. weil Sie bereits ohne eine Gleichstellung ein Stellenangebot bekommen haben und sie nicht länger gleichgestellt werden möchten) können Sie Ihren Gleichstellungsantrag auch zurückziehen. Das ist in der Regel immer zulässig, solange noch keine Entscheidung seitens der Agentur für Arbeit vorliegt.
FAQ: Gleichstellungsantrag
Ein Gleichstellungsantrag dient der Gleichstellung von Behinderten mit schwerbehinderten Menschen. Arbeitnehmern mit einem Grad der Behinderung (GdB) zwischen 30 und 50 % werden damit ähnliche Begünstigungen wie schwerbehinderten Arbeitnehmern mit 50 % oder mehr gewährt. In diesem Abschnitt erfahren Sie mehr.
Eine Gleichstellung bietet bspw. Zugang zu erhöhtem Kündigungsschutz und Fördermaßnahmen, die Behinderten mit einem Behinderungsgrad von 30 bis 50 helfen können, sich einen neuen Arbeitsplatz zu sichern bzw. den jetzigen ihren Anforderungen entsprechend anzupassen. Ob der Antrag für Sie sinnvoll ist, können Sie hier nachlesen.
Neben konkreten Nachweisen Ihres GdB gehört in jeden Gleichstellungsantrag bspw. eine Begründung für Ihre Antragstellung. Mehr dazu, wie Sie den Antrag richtig und vollständig einreichen, finden Sie hier. Wo hingegen der Antrag konkret zu stellen ist, steht für Sie an dieser Stelle.
Im Falle einer Ablehnung Ihres Antrags haben Sie die Möglichkeit, schriftlichen Widerspruch einzulegen. Bringt Ihnen dieser keinen Erfolg, können Sie auch vor dem Sozialgericht klagen. Mehr zur genauen Vorgehensweise finden Sie hier.
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