Arbeitsumfelder sind unterschiedlich, genauso wie die Belastungen, denen sie ausgesetzt sind. Arbeit dient der Gesellschaft und soll Unterhalt und Leben garantieren – nicht selten macht Arbeit aber auch krank.
Augenzittern, Burn Out, Lärmschwerhörigkeit, Staublunge: Die Liste der arbeitsbedingten Erkrankungen ist lang. Einige Krankheiten können dabei sogar zur Arbeitsunfähigkeit führen oder mitunter lebensgefährlich werden.
Kurz & knapp: Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)
Die ArbMedVV ist eine innerbetriebliche Maßnahme, welche die Früherkennung und Behandlung von arbeitsbedingten Krankheiten gewährleisten soll. Es handelt sich dabei um eine Richtlinie, die dem Arbeitsschutz dient.
Die Leistungen der ArbMedVV unterteilen sich in Pflichtvorsorge, Angebotsvorsorge und Wunschvorsorge. Detaillierte Infos zu den einzelnen Leistungen finden Sie hier.
Hier erfahren Sie, wie sich der Ablauf einer arbeitsmedizinischen Untersuchung gestaltet und wie oft eine solche überhaupt stattfinden muss.
Die Gesundheit von Arbeitnehmern gilt es jederzeit zu schützen, unabhängig vom Tätigkeitsgebiet. Deshalb wurde vor einigen Jahren die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge erlassen, kurz ArbMedVV. Zwar verhältnismäßig neu, gilt sie für alle Mitgliedstaaten der EU und reguliert die gesundheitliche Fürsorge von Arbeitnehmern. Der folgende Ratgeber fasst das Wichtigste für Sie zusammen.
Inhalt
Die ArbMedVV – ein europäischer Grundpfeiler des Arbeitsrechtes
Die „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ – auch ArbMedVV – vom 18. Dezember 2008 ist ein innerhalb der Europäischen Union geltende Richtlinie, welche dem Arbeitsschutz dient. Davor war eine solche Vorsorge innerhalb der Branchen fachspezifisch geregelt.
Im ersten Paragraphen der ArbMedVV ist Folgendes zu lesen:
Ziel der Verordnung ist es, durch Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten.
Die ArbMedVV ist also eine präventive Maßnahme und ein Recht von Arbeitnehmern. Sie ersetzt jedoch nicht die spezifischen Arbeitsschutzmaßnahmen, sondern existiert dazu quasi ergänzend. Außerdem ersetzt sie auch keine Eignungsprüfung. Die ArbMedVV soll die Wechselwirkung von Arbeit und Gesundheit allgemein beurteilen und aufzeigen, ob bei einer bestimmten Tätigkeit eine spezielle gesundheitliche Gefährdung besteht, sowie Betroffenen eine schnelle Behandlung zusichern.
Wie der Name vermuten lässt, richtet sich die ArbMedVV daher an Arbeitgeber und Ärzte. Der Arbeitgeber wird dabei in die Pflicht genommen, einen Arzt zu beauftragen, welcher die Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin führt – weshalb auch vom Betriebsarzt oder der Betriebsärztin gesprochen wird. Die Kosten für eine Maßnahme entsprechend der ArbMedVV sind vom Unternehmen zu tragen.
Welche Arten von Vorsorge innerhalb der ArbMedVV gibt es?
Insgesamt wird in drei Gruppen geteilt – die Kategorisierung richtet sich nach der Dringlichkeit der Maßnahme, bezogen auf die spezifische Berufsgruppe.
Pflichtvorsorge in der ArbMedVV
Innerhalb der ArbMedVV gilt die Pflichtvorsorge für besonders gefährdende Arbeiten. Sie muss daher vom Arbeitgeber angeordnet werden; entsprechende Arbeiten dürfen erst dann ausgeführt werden, wenn eine solche Pflichtvorsorge getroffen wurde. Wurde eine Pflichtvorsorge gemäß ArbMedVV versäumt, drohen dem Arbeitgeber Bußgelder und andere Strafen.
Diese Vorsorge gilt vor allem für Arbeitsplätze, welche mit Giftstoffen aller Art zu tun haben. Dazu zählen nebst anderen Berufen vor allem zahlreiche Bautätigkeiten – so zum Beispiel:
- Schweißen und Trennen von Metallen
- Hochtemperaturwolle bei Wärmedämmung
- In Forschungseinrichtungen und Laboratorien
- Feuchtarbeit von vier und mehr Stunden täglich: Gesundheits– und Sozialwesen u.v.m.
- Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Asbest bei Bauarbeiten, Methanol bei der Textilveredlung, Nickel bei Kassierern und Oberflächenbeschichtern u.v.m.
- Ausgesetzt-Sein von Staub aller Art: Labortierstaub durch Tierhaltungsräume, Mehlstaub in Großbäckereien, Hartholzstaub bei der Holzverarbeitung, Getreide- und Futtermittelstäube u.v.m.
Die ArbMedVV sieht für solche und ähnliche Arbeitsumfelder einen Vorsorgetermin vor, an welchem Arbeitnehmer quasi verpflichtend teilnehmen müssen – „quasi“ deshalb, weil körperliche oder klinische ArbMedVV-Pflichtuntersuchungen nicht gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden dürfen.
Angebotsvorsorge in der ArbMedVV
Die Angebotsvorsorge der ArbMedVV ist, wie der Name schon sagt, eine für die Beschäftigen optionale Leistung. Auch wenn sie für Arbeitnehmer nicht verpflichtend sind, besteht für den Arbeitgeber die Pflicht des Angebotes. Die betroffenen Berufsgruppen decken sich zu großen Teilen mit denen der Pflichtvorsorge; der Unterschied besteht darin, dass die Exposition durch oder der Umgang mit Gefahrenstoffen nicht derart stark ist. Die Angebotsvorsorge ist zum Beispiel bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten anzubieten.
Wunschvorsorge in der ArbMedVV
Innerhalb der ArbMedVV besteht für Arbeitnehmer grundsätzlich der Anspruch auf Vorsorge, ganz gleich bei welcher Tätigkeit. Dies wird als „Wunschvorsorge“ bezeichnet.
Nur weil eine Person beruflich nicht körperlich tätig ist oder in keinem Gefahrenumfeld arbeitet, bedeutet das nicht, dass Berufskrankheiten ausgeschlossen sind. Der Dienstleistungssektor hat in den vergangenen Jahrzehnten rapide zugenommen.
Viele Menschen verbringen ihre Arbeitszeit vor Rechnern und in Büros bei unzureichender Bewegung. Neben Haltungsstörungen mit Rückenschmerzen, Sehnenscheidentzündungen oder Sehproblemen sind es vor allem der Termindruck und einzuhaltende Deadlines, die viele Menschen wenn auch nicht physisch, aber psychisch extrem belasten können. Schlafstörungen, Beklemmungsgefühle und im schlimmsten Fall Depressionen mit Burn-out-Zuständen sind moderne Gesellschaftskrankheiten, welchen genauso vorgebeugt werden muss.
Wie läuft eine Untersuchung gemäß ArbMedVV ab und wie oft muss sie erfolgen?
Die ArbMedVV und ihre Leistungen sind also auf das jeweilige Arbeitsumfeld abgestimmt. Doch wie sehen solche Maßnahmen dann konkret aus?
In der Regel beginnt es stets mit einem Gang zum Betriebsarzt. Dieser führt erste Untersuchungen bzgl. des Bluthochdrucks, Sehvermögens u.ä. durch und verweist Sie ggf. weiter. An Maßnahmen zur Pflichtvorsorge muss teilgenommen werden, da sonst ein Berufsverbot auferlegt werden kann. Maßnahmen einer Angebotsvorsorge können hingegen auch abgelehnt werden – Strafen oder ähnliches drohen nicht. Die Wunschvorsorge geht vom Arbeitnehmer selbst aus und wird von diesem in Absprache mit dem Arbeitgeber oder dem Vorgesetzten gestaltet.
Der Betriebsarzt darf die Ergebnisse jedoch nicht mit dem Arbeitgeber besprechen, da auch hier die ärztliche Schweigepflicht gilt. Wird durch gesundheitliche Bedenken ein Wechsel nötig, dann bedarf es zunächst der Einwilligung des Arbeitnehmers.
Grundsätzlich gilt, dass laut der ArbMedVV vor der Aufnahme jeder Tätigkeit eine entsprechende Vorsorge erfolgt. In der Regel soll eine zweite Untersuchung vor Ablauf eines weiteren halben Jahres und jede weitere Untersuchung alle 36 Monate stattfinden. Daneben existieren branchenabhängig andere oder weitere Zeitspannen – für bestimmte Berufsgruppen sind beispielsweise regelmäßige Impfungen vorgeschrieben, welche ebenfalls eigene Zeitfenster haben.
B.R. meint
11. Januar 2023 at 9:35
Guten Morgen, ich arbeite im Sozialamt als Sachbearbeiterin der Grundsicherung. Nun haben alle Mitarbeiter/-innen eine Rundmail erhalten, dass sie zu einer G42 Vorsorgeuntersuchung, zum Infektionsschutz, teilnehmen müssen. So wie ich bislang gelesen habe, hat der Arbeitsmediziner nur eine Beratungspflicht und ich als Arbeitnehmerin bin weder dazu verpflichtet, Untersuchungen, die ich nicht will, über mich ergehen zu lassen noch meinen Impfstatus preiszugegeben, da ich nicht zum Personenkreis gehöre, für den diese G42 Vorsorgeuntersuchung, nach der ArbMedVV verpflichtend ist.
Sehe ich das richtig?
Ich muss wahrscheinlich einen Termin wahrnehmen aber ich muss keiner Untersuchung, wie z.B. Blutabnahme etc… zustimmen und auch aus Datenschutzgründen meinen Impfstatus nicht offenlegen.
Carmen meint
21. Januar 2021 at 6:47
Was darf ein Betriebsarzt
auf Anordnung vom Arbeitgeber,
in Corona Zeiten vom/am
Arbeitnehmer Fragen und untersuchen, anordnen… etc.?
(Zum Beispiel Arbeitnehmer ist in Wäscherei tätig )
– Rechte des Arbeitnehmers beim Betriebsarzt
20.01.2021
Frank meint
1. April 2019 at 11:50
Ich würde gerne zur arbeitsmedizinischen Untersuchung, doch mein Arbeitgeber bietet es nicht an. Was kann ich tun ?
l. meint
7. Juni 2018 at 6:56
musst du nicht beantworten
Conny meint
1. Mai 2018 at 12:06
Ich arbeite in einem großen Klinikum in der Verwaltung als Buchhalter. Jetzt werden alle Mitarbeiter (Ärzte, Schwestern, Sekretärinnen, Verwaltungsangestellte) zur Pflichtvorsorge geschickt. Das Gesundheit am Arbeitsplatz wichtig ist, ist keine Frage.
Mein Anliegen bezieht sich auf die Untersuchungsmethode selbst. Es sollen alle Mitarbeiter zur Blutentnahme, es wird auf Impfungen geachtet (Hepatitis, Tuberkulose usw.) Fragen zu Vorerkrankungen, Operationen, Suchterkrankungen, Schwangerschaften, Periode… erfragt (Fragebogen nach BioV).
Meine Frage, müssen alle Mitarbeiter sich dieser Pflicht, auch Mitarbeiter der Verwaltung welche nicht mit Patienten in Berührung kommen, unterziehen und sind solche intime Fragen überhaupt statthaft?
Wo kann man nachlesen, welche Untersuchungen in einzelnen für welche Tätigkeitsfelder Plicht sind?
arbeitsrechte.de meint
7. Mai 2018 at 8:56
Hallo Conny,
Sie können sich mit Ihren Fragen an den Betriebsarzt wenden, dieser sollte Ihre Frage beantworten können.
Ihr Team von Arbeitsrechte.de
Sven meint
11. Dezember 2018 at 12:02
Ist vielleicht etwas spät, aber dennoch für alle Mitleser vom Arbeitsmediziner:
Der Arbeitgeber hat erst einmal eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Im Anhang der ArbMedVV sind nämlich alle Auslösekriterien für Angebots- und Pflichtvorsorge expressis verbis genannt. Wer als Buchhalter nun eher keinen Publikumsverkehr und insbesondere keinen Patientenkontakt hat, für den besteht auch nicht das Risiko einer Ansteckung. Die Anlässe aus Teil 2 des Anhangs der ArbMedVV entfallen daher. Impfungen und Blutentnahmen sind sowieso freiwillig. Merke: Auch bei der Pflichtvorsorge können Untersuchungen (= Sehtest, Hörtest, Blutentnahme, etc.) folgenlos abgelehnt werden, die Pflicht erstreckt sich auf das reine Beratungsgespräch. Dem muss bei Pflichtvorsorge Teilnahme folgen.
Zutreffen wird eine Angebotsvorsorge wegen Bildschirmarbeit. Die kann vom Mitarbeiter ohne Nachteile abgelehnt werden und der Arbeitgeber muss dann nach Fristablauf gem. AMR 2.1 erneut einladen. Die Einladung hat schriftlich und individuell zu erfolgen, also kein Aushang und kein Zuruf zwischen Tür und Angel („willste mal teilnehmen?“).
Jeder Mitarbeiter ist berechtigt, Einsicht in die Gefährdungsbeurteilung zu nehmen. Insofern lohnt sich Nachfrage.
Martin meint
4. Oktober 2022 at 17:09
Hingehen sollte man wohl. Dort muss man aber nichts über sich ergehen lassen oder preisgeben, was man nicht will. Das Gesetz verlangt eine Teilnahme an Pflichtuntersuchungen – mehr nicht. Wäre ja auch noch schöner oO
„1.20. Darf der Beschäftigte gemäß ArbMedVV auch gegen ärztlichen Rat die
Tätigkeit fortführen? (Ergänzt im Januar 2019)
Ja. Der Beschäftigte darf auch gegen ärztlichen Rat seine Tätigkeit fortführen.
Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) normiert kein öffent-
lich-rechtliches Beschäftigungsverbot. Alle arbeitsmedizinischen Beratungsinhalte
unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Die Vorsorgebescheinigung für den Ar-
beitgeber enthält deshalb weder Angaben zur Eignung des Beschäftigten, noch zu
– FAQ des AfAMed / Seite 12 von 38 –
eventuell notwendigen allgemeinen oder individuellen Arbeitsschutzmaßnahmen
(siehe § 6 Absatz 3 Nummer 3 ArbMedVV).“
baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AfAMed/pdf/Arbeitsmedizinische-Praevention-FAQ.pdf